20 Jahre Demeter-Bienenhaltung

Imkertagung 2015 © mom/Demeter e.V

Neue Blickrichtungen für die Imkerei eröffnete die Tagung Was braucht die Honigbiene? am 26. und 27. März in Kassel. Die Beiträge vor fast 200 Zuhörern nahmen die gesellschaftliche Diskussion rund um das Tierwohl auf und fragten nach der Verantwortung des Menschen für die Honigbienen. 

Anlass war das 20-jährige Jubiläum der Richtlinien für Demeter-Bienenhaltung, die in der deutschen Imkerschaft für Diskussionsstoff sorgten und heute Leitbildfunktion haben, wie Dr. Ralph Büchler, Forschungsleiter des Bieneninstituts Kirchhain feststellte. Zugleich mahnte er eine Weiterentwicklung an, die auch die Population der Honigbiene, nicht nur Volk oder Einzeltier umfasst. Die Züchtung, vor allem über Drohnen, müsse stärker in den Fokus des Imkerns rücken. Denn nach wie vor leiden Bienenvölker stark unter dem Parasiten Varroamilbe, dem aber, so Büchler, durch natürliche Maßnahmen und Völkerauslese langfristig besser beizukommen sei als durch Medikation.

Die Art der Beziehung des Imkers zu seinen Bienen gestaltet auch die Betriebsweise; Hingabe oder Dankbarkeit führen zu konkreten Maßnahmen, stellte Dr. Johannes Wirz, imkernder Forscher am Goetheanum – Hochschule für Geisteswissenschaft – und bei Mellifera fest. Er erhielt Zuspruch vom Philosophen und Tierethiker der Uni Jena, Prof. Peter Kunzmann: Die innere Haltung sei ein legitimes Motiv für ethische Erwägungen in der Tierhaltung. Und anders als beim Säugetier als Nutztier erweitere sich bei der Biene als Insekt die Verantwortung vom reinen Tierwohl, das sich eher aufs Einzeltier oder die Herde bezieht, in die Verantwortung für den größeren Zusammenhang der Natur.

Konsequenz wäre ein grundlegendes Umsteuern: Die das Bienenvolk durchaus beeinträchtigende Medikation gegen Varroa müsse von der Prophylaxe auf die Orientierung an einer Schadschwelle umgestellt werden, so eine Forderung von Wirz und Büchler, die ethisch wie auch durch Selektionsnotwendigkeit begründet ist.

Michael Olbrich-Majer vom Demeter-Verband wies in seiner Betrachtung zur Entstehung der Richtlinien darauf hin, dass genau diese Konzentration auf die Haltung bzw. Betriebsweise der innovative Kern der Demeter-Bienen-Richtlinien ist und schlug eine Brücke zur Landwirtschaft als Problem, da diese heutzutage bienenvergessen sei.

In der abschließenden Podiumsdiskussion betonte Günter Friedmann, Berufsimker und Sprecher der Bundesfachgruppe Demeter-Bienenhaltung, dass die biodynamische Bienenhaltung weder für die Probleme der Biene noch den ethischen Aspekt eine fertige Lösung sei und lud zur gemeinsamen Weiterentwicklung ein. Das fasste Imkermeister Thomas Radetzki von Mellifera, prägnant zusammen: Was die Honigbiene brauche, sei die Zusammenarbeit der Imker. Folgerichtig sprach denn auch Eckard Radke, Vizepräsident des Deutschen Imkerbundes und selbst Bioland-Imker, ein Grußwort und plädierte für eine gemeinsame politische Arbeit an einer Agrarwende.

Bereits am Vortag hatten mehrere Dutzend Teilnehmende die Demeter-Imkerei von Michael Reiter in der Nähe von Kassel besichtigt. Im großen Saal des anthroposophischen Zentrums in Kassel-Wilhelmshöhe lauschten abends dann über 150 Zuhörer der szenischen Lesung des Schauspielers und Landwirts Otto Kukla, der so den ersten der acht Bienenvorträge Rudolf Steiners – Inspirationsquelle für die Demeter-Imkerei - ins Erleben brachte. Zuvor machte der Schweizer Demeter-Imker Martin Dettli deutlich, dass diese wesensgemäße Art der Imkerei einen Perspektivwechsel bedeutet.

Zur Tagung hatten die Bundesfachgruppe Demeter-Bienenhaltung, Mellifera e.V. - die Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung - und der Demeter-Verband eingeladen. Initiator und Moderator war der Imker, Autor und Referent Michael Weiler, der auch Fachberater für Demeter-Bienenhaltung ist. Demeter-Imker gestatten ihren Völkern unter anderem Schwarmprozess und Naturwabenbau und gehen mit dieser wesensgemäßen Haltung über Bio-Imkerei hinaus. Heute gibt es mehr als 120 zertifizierte Demeter-Imkereien, darunter erfolgreiche Erwerbsimker, von denen bereits zwei mit dem Bundespreis Ökologischer Landbau des BMEL ausgezeichnet wurden.