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Die Kuh kann auch Klima- & Artenschutz

Um den Ruf der Kuh ist es heute nicht besonders gut bestellt – gilt sie doch als Methan ausstoßende „Klimakillerin“. Doch dieses Pauschalurteil tut ihr Unrecht. Denn die Kuh ist – bei richtiger Fütterung und Haltung – vielmehr eine Klimaschützerin, die nicht nur die Bodenfruchtbarkeit fördert, sondern auch die Artenvielfalt.

Gemalte Kuh auf Weide mit viel Artenvielfalt
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Inga Israel

Keine Frage: Wir Menschen konsumieren insgesamt zu viele tierische Produkte – mehr, als gut ist für unsere Gesundheit und den Planeten. Vor allem Rindfleisch und Milchprodukte stehen in der Kritik – die Kuh hat heute ein dickes Imageproblem. Denn in der Debatte über die Klimakrise wird oft aufgezeigt, dass Kühe erheblich zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beitragen. Und es stimmt: Alle Kühe produzieren bei der Verdauung Methangas, das zur Klimaerwärmung beiträgt. Da ist das Urteil über die Kuh als Klimakillerin schnell gefällt. Doch ein differenzierter Blick auf die Art und Weise, wie die Tiere gehalten und gefüttert wurden, lohnt sich – und dieser kommt in der Debatte leider oft zu kurz.

Denn: Nicht die Kuh ist das Problem, sondern die Art, wie sie gehalten wird, und das Futter, das sie frisst. „Heute werden Kühe meist in Masse im Stall gehalten und fressen hochkalorisches eiweißhaltiges Futter – oft Sojaschrot aus Übersee, für dessen Anbau teilweise Regenwald oder Pampa gerodet wird. Dieses Futter wird nicht nur unter hohem energieintensivem Düngemitteleinsatz produziert, sondern hat auch einen weiten Transportweg hinter sich – beides wiederum führt zu hohen klimaschädlichen Treibhausgasemissionen. Problematisch wird die Kuh für das Klima also vor allem in der industrialisierten Landwirtschaft, die nicht wie Demeter- und viele Biohöfe in Kreisläufen wirtschaftet, in denen die Kuh eine zentrale Rolle hat“, erklärt Jörg Hütter, der bei Demeter die Bereiche Politik sowie Richtlinien- und Qualitätsentwicklung verantwortet.

Kühe gehören auf die Weide

Wird die Kuh jedoch auf der Weide gehalten und frisst hauptsächlich Grün- und Raufutter – sprich Gras und Heu –, kann sie zu einer nachhaltigen Landwirtschaft beitragen. Methan entsteht zwar in höherem Maß bei Verdauung von Grün- bzw. Raufutter, weil dieses länger im Methan-bildenden Pansen verbleibt als schnell verdauliches Kraftfutter. Die Produktion des Grünfutters muss jedoch in die systemische Betrachtung miteinbezogen werden. Werden Rinder auf Weiden gehalten, ist die Klimabilanz weitaus positiver, als der selektive Blick auf die Methanproduktion vermuten lässt – denn der Beitrag von Dauergrünland zur CO2-Speicherung ist erheblich. So weist Jörg darauf hin, dass die Kuh das Gras und dessen Wurzeln durch den Biss zum schnelleren Wachsen und zur Ausbildung von Feinwurzeln anregt – sodass es noch mehr CO2 speichern kann: „Dieses ziehen die Graspflanzen aus der Atmosphäre und speichern es im Boden an ihren Wurzeln. Gleichzeitig düngt die Kuh durch ihre Ausscheidungen das Grünland und fördert damit den Aufbau von wertvollem Humus, der ebenso als klimaschützender CO2-Speicher dient.“

Dauergrünland speichert CO2
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Inga Israel

Biotop Kuhfladen

Fakt ist: Die Kuh kann mit ihrem einzigartigen Verdauungsprozess pflanzliche Nahrung verwerten, die der Mensch nicht direkt verdauen kann. Sie schafft das Kunststück, diese in für den Menschen wertvolle Lebensmittel wie Fleisch und Milch umzuwandeln. So kann sie auch auf Flächen Nahrung für den Menschen produzieren, die sonst nicht für die menschliche Ernährung nutzbar wären. Weil sie hauptsächlich Gras frisst, ist die Kuh zudem keine Nahrungskonkurrentin für den Menschen wie andere Tiere, etwa Schweine und Hühner.

„Eine Rinderhaltung, die flächengebunden auf Grasland und auf regionalem Futter basiert, ist ein sinnvoller, weil nachhaltiger Baustein für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. Rund zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind Grünland und damit unverzichtbar für die Ernährungssicherung. Das eigentliche Klima-Problem sind Kühe, die mit viel Kraftfutter vom Ackerland und mit Import-Soja gefüttert werden“, ist Jörgs Fazit. „Wirklich nachhaltig ist die Kuh, wenn sie in einen ausbalancierten Hofkreislauf eingebunden ist, wie es Demeter-Landwirt: innen anstreben. Sie halten auch nur so viele Tiere, wie ihr Land ernähren kann, und verwenden den Mist als wertvollen Dünger für Weide und Acker. Und produzieren dabei Milch und Fleisch auf eine Weise, die gut ist für Tier, Mensch und Natur.“

www.demeter.de/klima

Demeter-Forderungen an die Politik

  1. Wir brauchen verbindliche und wirksame Maßnahmen für die Einhaltung der 1,5-°C-Grenze!
  2. Um die Klimagas-Emissionen deutlich zu senken, braucht es einen sorgsamen Umgang mit den natürlichen Ressourcen, eine Besteuerung von Emissionen sowie eine konsequente Förderung erneuerbarer Energiequellen.
  3. Flächengebundene Tierhaltung muss das Ziel sein, wie es im Ökolandbau bereits praktiziert wird.
  4. Humusaufbau muss gefördert werden, weil damit CO2 im Boden gebunden wird.
  5. Gelder richtig verteilen: EU-Politik muss nachhaltige und tiergerechte Landwirtschaft besser fördern – und nicht das Gros der Fördergelder pro Hektar vergeben.
  6. Das 30-%-Ökolandbau-Ziel der Bundesregierung muss konsequent verfolgt werden.
  7. Wir brauchen Maßnahmen, um nachhaltigen Konsum zu fördern und Lebensmittelverschwendung zu stoppen.
  8. Bio für alle: mehr klimafreundliche, gesunde Ernährung, etwa durch Bio-Essen in Einrichtungen der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung.
  9. In öffentlichen Mensen und Kantinen muss die Verwendung von regionalen, ökologischen Produkten stärker gefördert werden.

Dank Wiederkäuern wie Rindern, aber auch Schafen und Ziegen können wir auf Grasland hochwertige Lebensmittel erzeugen, Kohlenstoff im Boden binden und die Biodiversität fördern

erklärt Jörg Hütter, der bei Demeter die Bereiche Politik sowie Richtlinien- und Qualitätsentwicklung verantwortet.

Jörg Hütter
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Susanne Kiebler

Mit gutem Gewissen genießen

Seine Tipps:

  • Weniger ist mehr! Genieße Milch- und Fleischprodukte bewusst und achte dabei auf Qualität.
  • Die Edelteile wie Roastbeef und Filet machen nur 8 % eines Rinds aus; nachhaltiger Fleischgenuss heißt aber: Das ganze Tier sollte verwertet und gegessen werden. Nur Mut beim Ausprobieren von neuen oder alten Rezepten aus Zeiten, in denen es normal war, Innereien oder Rinderzunge zu verarbeiten und zu essen!
  • Achte bei deiner Bezugsquelle darauf, dass Fleisch- und Milchprodukte am besten aus Weidehaltung sowie Demeter- oder biozertifiziert sind. Schau, ob es einen Hof in deiner Region gibt, oder frage im Bioladen oder am Marktstand nach.

www.demeter.de/milch | www.demeter.de/fleisch

Buch "Die Kuh ist kein Klimakiller" von Anita Idel
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Anita Idel

Unser Buchtipp

„Die Kuh steht am Klimapranger, doch der Klimakiller ist immer der Mensch, denn er entscheidet über das Wie – das jeweilige Agrarsystem“, sagt Tierärztin Dr. Anita Idel. Die Leadautorin des UN-Weltagrarberichts rehabilitiert in ihrem Buch „Die Kuh ist kein Klima-Killer“ die Kuh nicht nur, sondern belegt die Multifunktionalität des Boden-Pflanze-Tier-Komplexes in der nachhaltigen Landwirtschaft.

Dr. Anita Idel: „Die Kuh ist kein Klima-Killer“ Metropolis Verlag, 9. Auflage Juni 2022 ISBN: 978-3-7316-1209-4 www.metropolis-verlag.de